29.12.16

HOSPIZ I


Ihr flüstert
ihr denkt
sie schläft
doch sie hat
nur ihre Augen
geschlossen

bitte öffne
die Augen
ich bin da
ich bin bei dir
sie öffnet sie
sie sieht mich

sie strahlt
uns an

27.12.16

SCHREIB-QUAL


Wenn ich Gedichte 
schreibe verirre ich mich 
in den bunten Abwegen 
und -gründen 
niemand hört mich laut-
los weinen oder still-
schweigend lachen

ich denke oft: viel-
leicht - viel-
leicht - mach ich 
was ganz An-
deres bald

20.12.16

ALLTAGS-
STUMPFSINN


Jeder Tag 
ist ein Todeskampf
unserer Gefühle
täglich drohen wir 
abzustumpfen
denn alle langen Arme 
und langen Beine
sind des langen Lebens
und langen Sterbens
müde geworden

wir spüren 
in den Gliedern
keine Kraft mehr
wir spüren nur noch
schwach
im schwachen Herzen 
die Hoffnung!

16.12.16

FLUCHT


Zwischen dem
sanften Blau
des Abends
und dem Schwarz
der Seele

ergreifen 
letzte Momente
als drohe ihnen
die Endzeit
die Flucht
INVENTUR


Da ist meines Bettes
weißer Samtbezug
hier das kleine Kissen

und die weiße Decke
da die Leselampe
hier das gute Buch

da der Schlafanzug
und an meinem Bett 
mein geliebter Schuh

15.12.16

TRAUM-
ERKENNTNIS


Letzte Nacht 
hab ich geträumt
ich stehe auf
und der Tag ist 
zu Ende

alle liegen im Bett 
und schlafen fest
als hätten sich
ihre Gedanken
rücksichtsvoll
verabschiedet 

ich hab geahnt
dass ich träumen 
muss

21.11.16

HOFFNUNG II


Mein Herzschlag
soll für dich 
allein Applaus 
und mein Schatten
für dich 
allein Bühne 
werden

13.11.16

UNRUHE


Da du zwischen 
den geträumten Zeilen 
lesen kannst
werde ich nervöser
als nervös

und weil du 
durch die hohen Mauern 
aller Luftschlösser
wie durch Glas siehst 
blüht
die Furcht

07.11.16

SCHEIßWOCHE
AKROSTICHON


Montags bekomme ich
Immer Migräne: Da Bier-
Schnaps- und
Tränen-Bäche 
Hin und herfließen
Alles versinkt in allem
Und freitags:
Feierabend-Bier
Einen Kater und eine
Neurose

31.10.16

HOFFNUNG I


Nur die
Fantasie
rettet die
nächste Woche

nur der
Traum
rettet den
nächsten Tag

nur diese
Hoffnung
rettet uns
heute Nacht

19.10.16

VERWIRRUNG I


An allen Himmeln
sind stumme Zeugen 
die sich und alles
bis Du und Wir
nur Dich und Uns
bezeugen können
im großen Kreise
und Dreieck drehen

15.10.16

LETHAGRIE I


Der Herbst
geht unter

die Netzhaut
hinter 
trüber Ferne 
wartet Schmerz

04.10.16

LUST
AKROSTICHON


Lust gedeiht und blüht
Und die Lust vergeht
Sie ist eine Blume
Tulpe ohne Beet

02.10.16

ABENDFANTASIE


Zwischen dunklen Zimmern
blühen von allen Schatten
verhüllt letzte Räume
und zwischen dunklen Pfaden
blühen vom Dämmerschleier
verhüllt letzte Wege

und zwischen dem Mond 
und dem Stern 
und von den Wolken 
verhüllt regnen sanft
und langsam 
letzte Melodien

01.10.16

KLATSCH!


Genau! Am nächsten Morgen
wird erst der Regen kommen!
Denn heute wird vom Baum

ein einzig' Ahornblatt
und durch das Goldgeäst
vom einzig' gold'nen Herbst

ein einzig' gold'nes Licht
an uns're gold'nen Blüten
und Füße herabfallen.

30.09.16

SEPTEMBERABEND


Der Augenblick
ist flüchtig

bald verschmelzen
die Farben 

und schon bald
ist farblose Nacht

und der Augenblick
Erinnerung

26.09.16

ABSCHIED II


Ein letzter Wink
wurde ein Stück
gelber Horizont
nur ein Hauch 
zwischen Licht 
und Nichts 

nur ein Baumast
von dem 
ein Kuckuck 
entflog
nur ein Blatt
das in Abgründe 
fiel

21.09.16

GEDANKENSPLITTER


Gedichte sollten nicht bloß des Lesers Weltanschauung widerspiegeln. Er soll nicht einfach nur ausrufen: Ja! So sehe ich es auch! 
Gute Gedichte sind ein Augentausch, ein Spiel und Wechsel der Perspektive. Der Leser muss beim Erfassen eines Gedichtes unsere Welt einmal mit ganz anderen Augen sehen! Nur so kann er in ihr auch wirklich Neues entdecken.
ZUFLUCHT I


Erinnerung
ist mein Schirm
im Sturmregen
die aus dem Nichts
nur für mich
eine kleine Insel
schafft

20.09.16

VERLUST I


Die Diebin Einsamkeit
die das erste Vergessen
und den letzten Glanz 
seiner Augen stiehlt
wird sein Schatten

während die Finsternis
unserer Tage 
und unserer Nächte
sein müdes Herz 
in den Wahnsinn

und in die Arme
vom Vorgestern 
treibt

19.09.16

APOKALYPSE


Dunkle
Tränen
schärfen

während
die Sterne
langsam
erröten

die Sicht
EINSAMKEIT I


An einem stillen Tag
im Monat August
finden die Obstmaden 
ein neues Zuhause 
und ich 
nur eine alte Heimat 
deren gute Seele 
ungezählte Tage 
und Wochen fehlt

10.09.16

AUFBRUCH


Langsam schwimmt 
ein blaues Boot
der frische Wind 
malt das Wolkenrot
langsam fliegt 
ein Falter fort
ein Abschied
ohne Abschiedswort

02.09.16

31.08.16

ALPTRAUM II


Jedes Wort bleibt 
wie ein jedes Wort 

wie der Tod 
bitter schmeckt 
nur Asche 
im Aschemund

da jede Silbe
wie die Zeit 
langsam
vergeht

25.08.16

BEOBACHTUNG I


Er sitzt da und
er raucht
Er sitzt da und
sagt kein Wort

Er sitzt da und
sieht nichts
Er sitzt da und
hört nichts

Er sitzt da und
träumt nicht
Er sitzt da und 
schläft nicht

Er sitzt da und
bleibt stumm
Er sitzt da und
bleibt sitzen

24.08.16

GEFÄNGNIS


Unter Millionen
Wolken leben
Millionen Menschen

und über Millionen
Wolken fliegen
Millionen Kometen

und zwischen
Millionen Kometen
keine einzige Tür


"Gefängnis" wird im November 2016
 in dem Gedichtband "Lyrische Essenzen"
von der "Bibliothek deutschsprachiger 
Gedichte" veröffentlicht

15.08.16

RESIGNATION I


Diese Leere 
in der Welt 
breitet sich 
wie eines Waldes
großer Brand aus

während die Wolke
am Himmel
sehnsuchtsgleich
ins Ungewisse
strebt

08.08.16

KREISLAUF I


Die Liebe blüht.
Der Kummer welkt.
Ein altes Lied
gebiert die Welt.

Der Kummer blüht.
Die Lieb' vergeht.
Ein Menschlein liegt
im toten Beet.

04.08.16

FANTASIE I


Ich spür 
auf der dünnen Haut 
den dünnen Atem
der Vergangenheit
und spür 
den gelben Teppich
des gelben Herbstes
unter meinen Füßen

und in dem Herzen 

spür ich Tag
und Nacht
das goldene Licht
der goldenen Nächte
und Tage

und die Nähe
vom Sichelmond

22.07.16

ERKENNTNIS I


Sein Horizont 
fängt beim linken Ohr an
und hört
beim rechten Ohr auf
hinter seinen
glanzlosen Augen
ist Totentanz

03.07.16

ABENDMELANCHOLIE


Mitunter bin ich wirklich müde
und noch gar nicht zum Schlafen bereit.
Ich träume nur von großer Liebe
und nur die Ahnung ist, was bleibt.

Ich hatte oft das Bett gemieden
und saß bei mattem Lampenschein
und hab geschrieben und geschrieben
und fühlte mich unendlich allein.

Mitunter bin ich wirklich müde
und gar nicht bereit einzuschlafen.
Denn ich kann nur geträumte Liebe
wohl nie und niemals mehr ertragen!

23.06.16

SOMMERELFCHEN


Junisonne
Thront königlich
Über der Farbenpracht
Und des Menschen warmen
Herzens.

10.06.16

SCHNEEREGEN


Ach! Es schneit schon vierundzwanzig Stunden!
Überall liegt Schnee! Es schneit und schneit!
Unterm nächsten Dach der Dunkelheit
ist das Wetter endlich überwunden!

Wenn nur noch ein bisschen Zeit verrinnt,
haben Regen und der Schnee ein Ende!
Aber vielleicht löschen sie große Brände
und es weht endlich neuer Wind...

Erst wenn's wieder spät und still geworden,
kommen alle allmählich zu Ruh.
Dann gibt's nur noch Ich und nur noch Du
und kein Heute, Morgen, Übermorgen!

22.04.16

ELEGIE DER SPIEßER


Wir reden viel von Mord und Tod,
von dem, was eben täglich passiert
und dabei wird das trock'ne Brot
und trockn'e Brötchen froh geschmiert.

Wir trinken Kaffee und den Saft
und treffen uns schon mittags wieder.
Es wird geredet und gelacht.
Dies' Leben bleibt so fad und bieder.

Wir reden viel. Die Welt ist fern
und ist und bleibt für uns abstrakt. 
Wir kommen vom ganz and'ren Stern
und bleiben völlig dumm und nackt. 

Wir reden viel. Wir essen dabei.
Mitunter ist es uns auch schlecht.
Doch die Migränen gehen vorbei
und and're bleiben ungerecht! 

Wir reden viel von Mord und Tod.
Wir wollen Armut froh benennen.
Wir reden weiterhin von Not,
als Blinde, die sie gar nicht kennen.

28.02.16

WALDGESANG
FASSUNG II


Wenn der Baum der grünen Wälder
uns verschweigt was Stille ist
und der Sonne Licht vermisst
wird der Himmel immer gelber
denn des Waldes frohes Lied
fließt zum Morgen frohem Klang
und verspürt den starken Drang
nach der Nächte letzten Abschied

ALPTRAUM I
FASSUNG I


Weil hier alles alles überwacht
und der Baum verschweigt was Stille ist
und kein Stein den andren Stein vergisst
da in dunkler Ferne etwas lacht
geh ich wohl in fade Fremde hinaus
und bin wie vom eignen dunklen Schatten
weiterhin verfolgt vom tiefen Lachen
und erahne niemals Mensch und Haus

21.01.16

SCHREIB-RAUSCH


Ich fühl' mich wieder an den Stuhl gebunden
und froh und munter - wie im Leben - nie.
So gehen alle meine Muße-Stunden
und in mir bleibt die schrille Melodie.

Da ich gefangen bin, fang‘ ich in Wort 
und Bild, das große Nichts und Alles ein 
und aller Rest - der Zweifel oder Ort -
wirkt - wie aus Himmelsblau - ein ferner Schein.

Drum denk' ich lange nach und schweige still
und die Fantasien tanzen alle Ballett.
So weiß ich, was ich kann und was ich will
und gehe niemals mehr ins kalte Bett.