01.07.22

GEGENWART


Ein „kleines“ Häuflein Salz gehört
in aller Wesen off‘ne Wunden.
Die ganzen scharfen Messer drehen
wohl über uns‘ren Köpfen Runden.

Auch über diesen Wolkenschwaden
ist keine Waffe lange allein.
Hier bohren alle in die Wunde
die fetten Finger rein.

22.06.22

STANDHAFT


Das 
große Nichts 
schlägt
zwischen 
aller Ohren,
wie eine Eiche,
dicke 
Wurzeln.

Auch 
der Sturm Blabla
und der Sturm 
Haha
bringen 
den Baum
niemals
zum Fall.

11.06.22

FEIERABEND-
VERKEHR


In unsrer
Jaaberstadt
verhallt
ungehört
der trägen
Tauben 
tiefes 
Gurren. 

Die Glocke
läutet 
allstündlich,
pünktlich
wie der
Schlaf:
Ja!
Nein!
Ja!

Und 
alle Autos
rasen 
von links
nach rechts:
Jeiiin!
Jeiiin!
Jeiiin!

02.06.22

WANN?


Mir ist,
als würde ich 
kopfüber
in ein tiefes 
Meer 
sattgrüner 
Brennnessel 
springen. 

Wie lange 
kann ich noch 
Luft 
und Zeit 
anhalten? 

Wann 
stoße ich 
meinen Neid 
Schlangen 
gegenüber 
ab, 
wie mein 
Körper

meine
Haut?

16.05.22

LEBENSBILANZ 


So lauf‘ ich, wie ein träges Tier,
durch diese Wüstenwelt.
Ein jedes kleine Ziel hat mir 
von einem Glück erzählt.

Ich schleiche nur von Ort zu Ort
und weiß nicht wirklich viel.
Die Lebewesen waren oft,
wie ihre Schatten, kühl.

Das wunderbunte Jetzt und Hier
hat mir den Weg erhellt.
So lauf‘ ich, wie ein träges Tier,
durch diese Wüstenwelt.

11.05.22

NACHT-LIED


Penner sprach zu einem Huhn:
„Es wird endlich Zeit, zu ruh‘n!“.

Und die nette, fette Henne
befahl uns’rem Penner: „Penne!“.

In dem sanften Mondenschein
schliefen also Beide ein.

29.04.22

VERLUSTANGST


Die Tränensäcke suchen Nähe
zu meiner Füße Hühneraugen.
Wo immer ich auch geh‘ und stehe,
beginnt mein Kopf zu rauchen.

Wo immer ich auch hüpf‘ und springe,
beginnt mein Kopf zu rotier‘n.
Des Lebens seltenschöne Dinge
droht unsereiner völlig zu verlier’n.

26.04.22

- TEUFELSKREIS -

Also ich habe mir heute meine Bilder angesehen und meine Gedichte und Geschichten durchgelesen. Ich bin einerseits froh, dass ich so gute und produktive Phasen habe, in denen ich viel schreibe und male, und das ich vor allem etwas gefunden habe, was mir Spaß macht… aber auch das ist irgendwie nicht einhundertprozentig befriedigend. 

Man kann es eben mit niemandem richtig teilen. Wenn ich jemanden ein Bild zeige oder ein Gedicht vorlese, stehe ich natürlich so da, als würde ich von ihm gelobt werden wollen. Das ist eine peinliche Situation. Es ist ein Missverständnis. Da ich mich nur einmal mit jemandem über das unterhalten möchte, was mich interessiert.

Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde man täglich weiter eine Stadt mit all ihren Häusern und Straßen aufbauen, in der aber am Ende kein Mensch wohnen will. Es fühlt sich oft sinnlos an. Man macht aber immer weiter und weiter und das Warum würde einen nur beim Weitermachen blockieren. 

In solchen Momenten denkt man, dass man einfach spazieren gehen und seinen Kopf frei kriegen muss. Das hilft aber auch nicht. 

Schlimmstenfalls hat man beim Spaziergang nur neue Ideen. 

25.04.22

JAGD


Auch
die vier Bilder
in meinem 
Zimmer
haben
auf 
meine Seele
Heißhunger.

Auch
in großen 
Räumen
schleichen sich 
die vier Wände
langsam,
wie Raubtiere,
an

und auch
im Traum 
flüstern,
unter 
vier Augen,
zwei 
Schatten.

11.04.22

TROST


Mir ist schon alles einmal passiert:
Gebroch‘ne Füße oder Zehe.
Ich lerne neue Worte kennen,
wenn ich zu einem Doktor gehe.

Ich weiß, was große Schmerzen sind
und weiß auch: Alles hat ein Ende.
Es gibt die leeren Wartezimmer
und in dem Urlaub leere Strände.

09.04.22

WALDREFLEKTION


Über meinem kahlen Kopfe träumen
auch die gelblich grünen Wolkenmassen.
Selbst von allen hunderttausend Bäumen
regnen längst gewohnte Phrasen.

Die gesunden Menschen sind „Die Andern“
und so fern, wie übernächster März.
Doch selbst uns‘re kleinsten Tiere wandern
nur zu einem neuen Schmerz.

Die gesunden Menschen sind „Die Andern“
und so fern, wie nur ein tröstend’ Wort
und selbst unsr‘e kleinsten Tiere wandern
durch die Jammertäler fort.

03.04.22

TRAUM


Ich habe letzte Nacht geträumt, dass ich in einem modernen Zoo bin. Alles hat auf mich so übertrieben futuristisch gewirkt. Als wäre der Zoo ein Raumschiff.

Ich wollte dort nur vier, fünf Stücke eines Fossiles zusammensetzen, damit mir ein Computer erklärt, was das für ein Tier einmal war. Ich kann es aber nicht zusammensetzen, obwohl es nur so wenige Stücke waren, so dass ich dachte, dass ich beängstigend blöd wäre. 

Irgendwann sagte mir ein Mann, dass der Zoo jetzt schließen würde. Ich verließ den Ort mit dem Gefühl, dass ich nur still in der Ecke saß und, wie ein Kind, Puzzle gespielt habe.

29.03.22

DUSCHGEDANKEN
einem Witwer gewidmet


Das Wasser bleibt so kalt
und auch die Luft ist kühl.
Ich denk‘: Ich werde alt
und verlier‘ Hirn und Halt
und grüble oft und viel.

Die Fliesen sind so weiß,
wie Zähne wilder Weiber.
Doch ich bin nur ein Greis,
der nichts von Leben weiß
und lebe einsam weiter.

27.03.22

TRAUMSZENE


Dunkelgrün
sind die Palmenkronen,
die von der Ferne aus
ein bisschen
den Vogelspinnen 
ähneln.

Vom Himmel 
regnet 
ein Geräusch,
das ans Zerknüllen
großer Stücke
silberner Alufolie
erinnert.

Dunkelgrün
sind die Kronen
der Palmen,
dunkler
und grüner
als das Wort.

23.03.22

ZWEITER VERSUCH


Der Müller erzählt einen Witz
und liegt besoffen unterm Tisch.
Der Schneider sitzt im Schneidersitz
und unser Fischer brät den Fisch.

Der frische Fisch ist verbrannt
und unser Müller schläft ein.
Der Schneider macht Handstand
und Fischer kocht ein Schwein.
ÜBERLEGUNG


Die blonden Haare fallen in den Dreck
und unser Dreck… der wird wohl aufgekehrt….
und ist er weggeschmissen… ist er weg,
und hat dem Menschen nur gelehrt:
Das uns das Saubermachen nervt!

22.03.22

NONSENS


Hinter Bäumen und der Burg,
sagt das „Niemals“ niemals „Nie“
und die taube Taube gurrt
eine kluge Philosophie.

Unter diesem Weiß der Bäume
werden Hinz und Kunz geklont.
Alle meine feuchten Träume
prüft das kahle Kalb vom Mond.

19.03.22

ZACK: REIS
ANAGRAMM-
GEDICHT

Es reicht das Reich
der Rache. Eistisch,
spiel Mozart rueckwaerts.
Zack: Reis! Warte Loser Trump!
Es reicht das Reich
Rache. Sei der Tisch!

13.03.22

FRAGEREI


Entschuldigung!

Wie 
spät ist es?
Haben wir Sonntag
oder ist schon 
Montag?

Wann 
geht heute
die Sonne 
und wann
die Welt unter?
Ist noch Frühling
oder haben wir 
schon 
Sommer?

Fragen
über Fragen.
Antworten
haben
keinen Sinn.

09.03.22

FLÜCHTIGE
FANTASIE


Wenn mir nicht vor der Höhe graut…
ich würd’ auf allen Dächern steppen 
und hätt‘ beim Steppen auf die Deppen
vergnügt herabgeschaut.

Doch da die Höh‘ mir nicht gefällt,
betrete ich kein hohes Dach
und denk’ wohl über alles nach,
als wär’ ich nicht von dieser Welt.

Und wär‘ die Höh‘ mir nie ein Graus…
ich würd’ auf allen Dächern träumen
und in der Häuser bunten Räumen 
wär‘ nur ein sanftes Lied zu Haus.

08.03.22

REHA


Ölfarben
erinnern 
an Meisterwerke,
die ich 
noch nie 
sah.

Malkittel
erinnern
an Ärzte,
die ich auch
in Träumen
sehe.

Eine 
Sirene
gefriert
Gedanken
und 
in den Adern

mein 
neues 
Blut.

13.02.22

ERSCHÖPFUNG


Es ist,
als würde man die Zeit,
die man miteinander hat,
gar nicht nutzen.
Man sitzt
zusammen
und schweigt.

Man stellt keine Fragen.
Als würde man
alle Antworten kennen.
Oder als würden Antworten
diese unfassbare Welt
auch nicht fassbarer
machen.

Es ist,
als würde man die Zeit,
die man miteinander hat,
gar nicht nutzen.
Da man aller Gefühle
und Gedanken
müde ist.

10.02.22

ALLTAGSZWÄNGE


Du musst… Du sollst… 
und lache mal.
Nun mach'… 
und tu'…
und steh' im Leben 
und steh' 
gerade.

Du musst… Du sollst…
und iss und trink'
und vergiss den Tee 
und die Tabletten nicht 
und mach'… 
und tu'…
und lass'

niemals 

Kopf
und Schultern
und die Luft
in der Luft
hängen.

09.02.22

TAPETENWECHSEL


Wie oft… wie oft ich höre,
dass man gern schreien will.
Ich möchte lieber gähnen,
dass mir die weißen Wände
und auch die weißen Decken
ein Tänzchen zeigen.

Wie oft… wie oft ich höre,
dass man gern lachen will.
Ich möchte weinen können,
dass alle weißen Wände
und alle weißen Decken 
endlich
im satten Schimmelgrün
gekleidet sind.

05.02.22

HERZRASEN
FASSUNG 2


Die 
Käfigangst 
im Fahrstuhl,
bringt mich 
im Angstkäfig
Dusche 
um 
den Verstand.

Das Herz 
rast,
wie Tag
und Nacht,
Nacht
und Tag.

Meine
Welt
zerfließt
und erstickt.

03.02.22

SCHWINDEL
FASSUNG I


Aufzüge schießen so schnell hoch
und wieder runter. Wie die Kugeln

der schweren Waffen. Abends wird
mir in der Dusche schwindelig

und abends schießt das arme Herz
das arme Hirn lebendig.

02.02.22

FAMILIEN-
FEIER


Der Neffe äfft
die Affen nach,
als Mama mit
dem Papa sprach.

Die Nichte bellt,
wie Omas „Biene“
und Onkel lacht
mit der Kusine.

Die Tante bäckt
die Torte schnell
und lauter klingt
das Nachtgebell.

Der Opa schnarcht
die Oma wach.
Der Neffe äfft
die Affen nach.
NACHTGEDANKE


Unter all den tausend Sternen
tanzen tausend Lügen,
die von allen Menschen lernen,
all die Menschen recht zu lieben.

01.02.22

BRECHREIZ


In noch so fernen Ecken
sind arme Menschen allein.
Die ganzen Tränen schmecken,
wie wirklich sau‘rer Wein.

Man wartet unter Bäumen
auf eine bess’re Zeit.
Auch in den trüben Träumen
verblassen Freund und Feind.

Nach jedem Wundenlecken
beginnen wir zu spei‘n.
In noch so fernen Ecken
sind wir so schrecklich allein.
TAGTRAUM


Eine
schwere Last
drückt
den runden Rumpf
des Narrenschiffes
auf den Boden
des Meeres.

Eine 
schwere Last
drückt 
die Wolken
am Horizont
flach.

Ein 
helles Lachen
vertreibt

das Licht.

28.01.22

IMAGINÄRER 
FREUND


Er lacht, wenn er mal lacht,
weil jemand sich wehtut
und in manch einer Nacht
hab ich mir schon gedacht:
Der Hans ist gar nicht gut.

Er weint, wenn er mal weint,
weil seine Aktien sinken.
Doch oft, in schwerer Zeit,
von Alltagsfrust befreit,
geh‘n wir zusammen Trinken.

26.01.22

IRONIE
DES LEBENS


Die ganzen Menschen blasen sich,
wie große Ochsenfrösche, auf.

Wenn Du nur einmal etwas sagst,
bist Du ein arroganter Hund.

25.01.22

CORONAFRÜHLING


Ein blasser Student niest
auf einer breiten Bank.
Die Frau im Grünen liest
ein Gedicht vom Abschied
und später… wird sie krank.

Sie lernten sich nicht kennen
und teilten sich kein Bett.
Der Mann wollt’ viel verbrennen
und sich vom Leben trennen
und sie… sie wurde fett.

23.01.22

DAUERHYSTERIE


Wir rollen den Gedanken
den roten Teppich aus.
Wir schenken ihnen Bühne.
Wir schenken ihnen Applaus.

Wir seh’n uns die Gedanken
von allen Seiten an,
berauscht von ihren Kleidern
und ihrer Stimme Klang.

Wir ziehen die Gedanken
in den Gedanken aus.
Wir schenken ihnen Bühne.
Wir schenken ihnen Applaus.

22.01.22

LEBEN


Die Tragik
des Lebens
bedrängt mich
aus jedes
Zimmers
Ecken.

Selbst
wer alles
aus seinem 
Leben
vergisst,
hat keinen
freien Kopf.

Selbst
wer einen
freien Kopf
hat,
ist
niemals
frei.

21.01.22

DILEMMA XVI


Wer nicht liegt im Bett,
fiel vom Bette runter.
Wer nicht froh ist,
der ist munter.

Wer nicht liegt im Müll,
liegt im Dreck.
Wer nicht hin ist, 
der ist weg.

Wer nicht liegt im Heu,
liegt im Stroh.
Wer nicht munter ist,
der ist froh.

03.01.22

- GIB FANCONI EIN GESICHT -















Ich bin Martin, 26 Jahre alt und lebe in Halle (Saale). Mit 23 Jahren bin ich an „akuter myeloischer Leukämie“ erkrankt. 

Ich war immer sehr müde und jeder Schritt fiel mir schwer, so dass ich mich überall immer wieder festhalten und hinsetzen musste. Ich hatte zudem einen „pulssynchronen Tinitus“ und hörte Zischgeräusche, als würden in meinem Kopf Züge umherrasen. Ich war auch fast blind, da ich Netzhautblutungen bekam. Ich war mir sicher, dass ich jetzt wahnsinnig werden würde!

Mit 6 Jahren wurde die Fanconi Anämie diagnostiziert. Ich hatte regelmäßig Blutuntersuchungen und jährlich eine Knochenmarkpunktion.

Man wollte nach der AML-Diagnose schnellstmöglich mit der Vorbehandlung für eine Knochenmarktransplantaiton beginnen. Da ich aber an Fanconi-Anämie leide, darf keine normale Therapie angewandt werden. Daher kam es leider mit der Ärztin zu einer Auseinandersetzung! „Wer ist hier der Arzt, Herr Zaglmaier?“.
Zum Glück hatten wir über Frau Dr. Eunike Velleuer und Herrn Ralf Dietrich von der „Deutschen Fanconi-Anämie-Hilfe e.V.“ erfahren, dass es an der MHH in Hannover Spezialisten für Fanconi-Anämie gibt. Ich bekam daher in Halle für den Transport eine Fremdblut-Transfusion und wurde, gegen den ärztlichen Rat, endlich nach Hannover gebracht. 
Die Vorbehandlung für die KMT war sehr anstrengend. Ich erhielt 16 Chemotherapien und musste eine Bestrahlung überstehen. Ich habe mich oft übergeben. Ich konnte nichts mehr essen, so dass ich zeitweise künstlich ernährt wurde.

Meine Schwester konnte zum Glück das Knochenmark spenden! 

Ich bekam aber leider nach der Transplantation eine „pneumogene Sepsis“, die zu Fieber und einem schrecklichen Schüttelfrost führten! Wegen der Sepsis wurde auch der ZVK am Hals, durch den die ganzen Medikamente flossen, regelmäßig gewechselt, da der Katheder die Infektionsquelle für meine Sepsis sein könnte. 

In einer Nacht ging es mir besonders schlecht! Ein Pfleger hatte mich ans Bett fixiert und das Bett senkrecht gestellt, damit ich besser Luft bekomme, so dass ich im Stehen schlafen musste. Er hatte mir viele Antibiotika gleichzeitig gespritzt und gemeint: „Irgendein Antibiotikum, Martin, wird Dir schon helfen!“. Er ist die ganze Zeit bei mir geblieben und hat mit mir Atemübungen gemacht. 

Ich bin den Ärzten, Schwestern und Pflegern in der MHH in Hannover sehr dankbar. Sie waren immer freundlich gewesen. Es ist ein Wunder, dass ich noch lebe! Viele Menschen, die ich damals kennengelernt hatte, sind leider gestorben. 
Ich freue mich vor allem über den Pfleger, der die ganze Nacht an meinem Bett geblieben ist. Ich habe ihn auch noch einmal in der KMT-Ambulanz getroffen und mich bei ihm bedankt. 

Die Medizin ist heute schon weit. Es wird immer weiter geforscht. Man kann mit einer Vorerkrankung eine schwere Krankheit mit Komplikationen überstehen. 

Ich finde es sehr wichtig, dass über Fanconi-Anämie in Deutschland richtig aufgeklärt wird und die Ärzte nicht einfach stur ihre Standarttherapien durchziehen!